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Es ist Mittwochmorgen, 9 Uhr in dem Bildungsinstitut Grillhof in Innsbruck und der dritte Tag des „ClowNexus“ Workshops.

Dementia Clowning on silent sole_1

ClowNexus ist ein Drei-Jahres-Projekt (November 2020-Oktober 2023), in dem erfahrene europäische Gesundheitsclown-Organisationen untersuchen, wie Clowns und Humor soziale Bindungen und bessere Kommunikation mit Menschen mit Demenz oder Kindern im Autismus-Spektrum und deren Betreuer*innen, aufbauen und ermöglichen können.

Von 16. bis 20. Jänner 2023 fand dazu in Österreich (in Tirol) das dritte internationale Artistic Laboratory mit dem Fokus auf der Kommunikation mit Menschen mit Demenz – unter anderem mit Magdalena Schamberger, einer Pionierin und Spezialistin im Feld der künstlerischen Arbeit mit Menschen mit Demenz, statt. Bei der mehrtägigen Forschungsklausur tauschten sich Clowns aus acht europäischen Ländern aus.

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Magdalena Schamberger betritt den Raum mit den Worten „Schön, euch wieder zusehen. Macht es euch erstmal bequem“ und leitet mit ruhiger Stimme eine Meditation an „Stellt euch vor, die australische Sonne scheint auf euch“, führt sie fort und lädt alle Teilnehmer*innen ein, sich voll und ganz der Sonne entgegenzustrecken und das warme Gefühl der Sonnenstrahlen auf der Haut zu genießen.

Nun soll die Sonne auch den Nacken, und den Rücken erreichen. Also lehnen sich die Clowns auf ihrem Stuhl sitzend weit nach vorne, bei manchen erreicht der Kopf fast die Beine, die Hände hängen entweder locker herab oder werden auf den Knien abgestützt. Als jede(r) sich in der Position befindet, fordert Magdalena Schamberger die Gruppe auf, die Augen wieder zu öffnen. „Schaut euch bitte ganz genau an, was ihr gerade seht und vor euch habt.“ In dieser Position sehen die Teilnehmer*innen ihre Füße, Knie, einen sehr eingeschränkten Bereich. „Und das ihr Lieben, ist der Sichtbereich, den sehr viele ältere, demente Menschen fast ausschließlich vor sich haben.“ Der Raum wird ruhig, diese Aussage und die Erkenntnis regen zum Nachdenken an.

„Mit dieser anschaulichen Übung möchte ich die Clowns auf den Workshop heute einstimmen.“, erklärt Magdalena Schamberger.

 

Working in Frames

Und darum wird es heute gehen: den eingeschränkten Sichtbereich von Menschen mit Demenz und wie Clowns diesen nutzen und bestmöglich „bespielen“ können.

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So finden sich die Clowns in Zweierkonstellationen zusammen. Eine Person hält den Rahmen und blickt hindurch, die andere überlegt sich eine kleine Fuß-Show für den sichtbaren Bereich. Die kreativen Künstler*innen lassen sich dafür allerhand einfallen: sie ziehen sich die buntesten, schrägsten und auffälligsten Schuhe oder Socken an und überlegen sich unterhaltsame Fuß-Choreografien. Danach gaben sich die Clowns gegenseitige Feedbacks.

Dasselbe Prinzip folgte in der späteren Einheit, nur mit einem anderen Fokus. Nun umrahmte der Bilderrahmen die Kopf- und Schulterpartie. Bunte Hüte, Käppis, Perücken o.ä. kamen zum Einsatz. Und auch hier gilt es: Weniger ist mehr. „Langsame, bedachte Bewegungen können von Menschen mit Demenz um einiges besser verfolgt und verstanden werden“, erklärt Schamberger. 

„Clowns sind Spezialisten für das Leben im Hier und Jetzt und das ist sehr wichtig bei Menschen mit Demenz. Ihnen bleibt trotz individueller Einschränkungen der Sinn für Kreativität, Rhythmus und Humor. Hier können die Clowns wunderbar anknüpfen. Durch die auffällige rote Nase werden die Menschen direkt zu den Augen der Clowns geleitet, wodurch eine menschliche Begegnung stattfinden kann. Clowns werden zu Verbündeten, die eine gewisse Zerbrechlichkeit mit ihnen teilen“, weiß Schamberger, die auch als Honorary Professor an der School of Health Sciences der Queen Margaret University in Edinburgh unterrichtet. 

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Internationale Forschungsklausur

Die fünftägige Forschungsklausur behandelte zudem weitere Themen: Es wurde gemeinsam an einer „co-creational map“ gearbeitet. Dieser Methodenkoffer wird zurzeit von allen beteiligten Clown-Organisationen mit erprobten Zugängen befüllt und wird auch der Öffentlichkeit als Inspiration und Toolbox zur Verfügung stehen. Als besonderes Highlight wurde der ehemalige BBC-Reporter Willy Gilder virtuell hinzugeschaltet, der selber mit Demenz lebt und seine Geschichte und die Herausforderungen, mit denen er zu kämpfen hatte, mit der Gruppe teilte.

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